Das Geschäft mit Second Hand-Kleidung

7 min lesen 17 Juli 2020
Im Jahr 2020 gaben die Schweizer rund 8,1 Milliarden Euro für Kleidungsstücke aus. Das deckt sich mit den Angaben von Greenpeace, wonach wir jährlich cirka 60 Kleidungsstücke neu kaufen.
Tatsächlich tragen wir Studien zu Folge aber nur 36 Prozent der Klamotten aus dem Kleiderschrank – wohl deutlich weniger als jeder von sich denken würde. Ein guter Grund, um zu „Entrümpeln“ und ungetragene Kleidungsstücke in Second Hand-Onlineshops zu Geld zu machen.

Die Herangehensweisen an dieses Vorhaben (zum Beispiel das Capsule Wardrobe Experiment) kann durchaus verschieden sein, in einem Punkt sind sich die meisten Ansätze aber einig: Eine Anzahl von 20 bis 36 Kleidungsstücken gehören in eine Garderobe, der Rest ist unnötiger Ballast.

Aufräumen als Wissenschaft

Sicher haben Sie den Namen Marie Kondo schon einmal gehört. Die Japanerin erfreut sich als Aufräum-Expertin äusserster Beliebtheit. Marie Kondo landete mit dem Buch „Magic Cleaning: Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert“ einen Bestseller in mehreren Ländern und löste eine wahre Bewegung aus. Das TIME Magazine kürte sie schon 2015 zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt und Anfang des Jahres startete ihre eigene Reality-Serie auf Netflix „Aufräumen mit Marie Kondo“.
Bislang gelang es noch niemandem, mit der Idee des Minimalismus den gleichen Effekt wie die bekannte Ordnungsberaterin auszulösen. Obwohl ihr Buch mit dem Thema Magic Cleaning schon 2011 erschien, gelangt ihr der richtige Durchbruch erst mit der Ausstrahlung auf Netflix. Denn im Anschluss an die Netflix-Serie konnte die Branche einen deutlichen Trend nach oben beobachten.

Online-Kleidermarkt: Der Handel mit „Alt“ boomt

Ein Vertreter des amerikanischen Unternehmens Poshmark, ein Marktplatz für den Wiederverkauf von Kleidung, Schuhen und Accessoires, bemerkte einen Anstieg der Inserate um 64 Prozent im Vergleich zu 2018. Der Mitbewerber thredUP arbeitet ähnlich: Nutzer können in sogenannten „Säuberungsbeuteln“ alles einsenden. Anschliessend inseriert und verkauft das Unternehmen die Modeartikel im Namen des Kunden. Bei der Bestellung der Säuberungsbeutel konnte nach dem Start der Reality-Serie auf Netflix ein 80-prozentiger Anstieg verzeichnet werden. Bei einer Kundenumfrage gaben sogar mehr als 60 Prozent an, dass die Netflix-Show von Marie Kondo den Anreiz für eine Entrümpelung war.

Recommerce funktioniert auch bei uns

Aber nicht nur auf dem amerikanischen Markt, sondern auch im deutschen Online-Second Hand-Geschäft haben Startups wie Rebelle, Vinted und Mädchenflohmarkt mit dem Recommerce von Mode das Geschäftsmodell von Kondo erfolgreich umgesetzt. Aber auch die grossen Fashion-Anbieter haben den Recommerce für sich entdeckt:  Die H&M Group investiert bereits seit 2015 über die Kollaborationsplattform „CO:LAB“ in den Re-Commerce-Anbieter Sellpy, der auch in Deutschland und Österreich aktiv ist. Zalando bietet mittlerweile sogar eine eigene „Pre-owned“-Kategorie im Zalando Fashion Store

Richtig ausmisten – so geht’s!

Das Konzept von Marie Kondo hat schon Millionen von Menschen beeinflusst. Doch wie unterscheidet sich das Magic Cleaning von anderen Aufräum-Modellen? Die Japanerin empfiehlt tatsächlich erst einmal mit dem Kleiderschrank anzufangen. Sie sieht darin auch keinen langwierigen Prozess, sondern ein besonderes Event. Denn Entscheidungen sollten schnell und nach Gefühl getroffen werden:

Deadlines setzen

Planung ist hier nach diesem Konzept tatsächlich alles. Eine Kategorie wird mit Deadlines nach und nach geplant: 30 Minuten für die Socken, 40 Minuten für die T-Shirts und so weiter. Die Planung von Etappen zeigt rasche Ziele und schnelle Erfolgserlebnisse. Nach wenigen Wochen tritt schon ein Aha-Erlebnis ein.

Auf das Bauchgefühl hören

Schritt für Schritt wird jedes Kleidungsstück in die Hand genommen, angefasst und betrachtet. Das Körpergefühl ist dabei wichtiger als die damit verbundenen Gedanken. Die Frage „Wie fühle ich mich mit dem Gegenstand?“, steht im Vordergrund. Überlegungen wie: „Aber die Hose war unglaublich teuer!“, sollten ausgeblendet werden. Die Kleidungsstücke, bei denen ein positives Gefühl aufkommt, die gar Freude bereiten, werden behalten. Kleidungsstücke, die nie getragen werden, die negative Gedanken aufgekommen lassen werden aussortiert.

Kurzum: Alles, das zeigt wie man gerne sein möchte, was einen ausmacht, worin man sich wohl fühlt, verbleiben weiterhin im Kleiderschrank.

Wertschätzung für die Habseligkeiten

Marie Kondo hält es für wichtig, die ausrangierten Kleidungsstücke zu verabschieden, sogar Dankbarkeit zu empfinden. Dafür kann beispielsweise eine Schublade eingerichtet werden. Wenn man aus dem Lieblingsshirt herausgewachsen ist oder es verwaschen ist, kann eine Schublade mit den Lieblingsstücken aus alten Zeiten eingerichtet werden. Das vereinfacht wohl das Loslassen und macht Raum für Neues. Dennoch sollte man schauen, dass die Schublade mit Erinnerungsstücken nicht überquillt, sondern eine gleichbleibende Menge an Kleidung enthält.

FAQ für den Handel mit Second Hand-Mode

Der Kleiderschrank ist aufgeräumt, die Entscheidung welche getragenen oder neuen Kleidungsstücke auf einem Second Hand-Modeportal verschenkt oder verkauft werden ist gefallen, die Artikel sind online und die ersten Interessenten melden sich. Für Privatpersonen ist der Versand von Mode allerdings kein Alltag und es stellen sich viele Fragen: Wie sollten die Kleidungsstücke versendet werden? Welche Verpackung eignet sich wofür?

Wir haben uns umgesehen und die häufigsten Fragen, FAQs (zu deutsch: die häufigsten Fragen) von privaten Second Hand-Verkäufern angesehen.

Wie wird Kleidung gut und günstig versendet?

Schaut man sich um, gibt es viele Erfahrungen mit gepolsterten Umschlägen, die aber wegen der Masse dennoch als Paket versendet werden. Die Lösung: Das Einschweissen der Ware. Professionelle Onlineshops verwenden dafür eine Haubenschrumpfmaschine. Für private Verkäufe lohnt sich die Anschaffung natürlich nicht. Aber mit Beuteln in unterschiedlicher Grösse kann man robuste Textilien kostengünstig versenden. Wichtig ist dabei darauf zu achten, dass das Material dick genug ist, um Beschädigungen zu vermeiden. Hier könnten drei Shirts etwa auch mit dem Bügeleisen in einer Tüte eingeschweisst und anschliessend etikettiert werden. Not macht erfinderisch!

Wie werden edle Kleidungsstücke versendet?

Abendgarderobe, Cocktail-Kleider, Hemden, Blusen, Schuhe oder Handtaschen sind anfälliger als etwa Jeans und Shirts. Empfindliche Kleidungsstücke sollten daher sowohl sicher gelagert wie auch versendet werden. Schutz vor Staub und Schmutz bieten Kleiderhüllen. Damit Ihre Ware auch unbeschadet und ohne Falten beim Empfänger ankommt, sollte Sie mit zweiwelligen Kartons versendet werden. Beim Verkauf hochwertiger Mode können die Versandkosten daher auf der ausgewählten Plattform auch höher angesetzt werden. Auch die sogenannte Kleiderbox, wie man sie zum Beispiel auch von Umzügen kennt, kann zum Versand verwendet werden.

Ankauf-Portale für Kleidung

Am wenigsten Arbeit haben Sie, wenn Sie das verkaufen der einzelnen Kleidungsstücke anderen überlassen. Sogenannte Ankaufportale (zum Beispiel momox) kaufen Ihre Kleidung im Paket – zu einem vorher festgesetzten Fixpreis. Einmal Porto, einmal Versand – der Weiterverkauf wird dann stückweise über das Portal abgewickelt. So verdienen Sie unter Umständen weniger als wenn Sie den Verkauf selbst steuern und organisieren können, haben aber in nur einem Arbeitsschritt einen leeren Schrank und im Gegenzug Ihr Geld: Ohne selbst fotografieren, verkaufen und verpacken zu müssen.

Second Hand-Modeversand

Bares Geld liegt in fast jedem Schrank. Wer sich dazu aufraffen kann, sich klare Ziele steckt und den Second Hand-Handel online nutzt, kann nicht nur Platz für neue Mode schaffen, sondern auch Geld für neue Fashion-Artikel verdienen. Ein Eckpfeiler ist dabei, die Verpackungs- und Versandkosten so niedrig wie möglich zu halten.

Second Hand, Second Live

In Zeiten in denen ein Überkonsum herrscht, sollte der Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit noch mehr im Fokus stehen. Die Textilindustrie hat nicht nur ein Recyclingproblem, sondern belastet auch die Umwelt. In der Zeit von 2000 bis 2014 hat sich die Kleidungsproduktion verdoppelt. Und nicht etwa, weil der Bedarf da ist, sondern weil Konsumenten eine grössere Auswahl wünschen. Vergleichsweise dazu haben sich die Tragezeiten der Kleidung enorm verkürzt. Wenn ungetragene und gebrauchte Kleidung aber erneut dem Kreislauf hinzugefügt wird, profitieren gleich mehrere davon:

  • Personen, die die Kleidung verkaufen in Form eines monetären Werts
  • Personen, die die Kleidung günstiger als im regulären Shop kaufen
  • Umwelt, weil der Produktlebenszyklus verlängert wird
Übrigens: Wussten Sie, dass das Unternehmen RAJA ursprünglich auf der Geschäftsidee basierte, gebrauchte Kartons aufzubereiten und zu verkaufen?
Kommentare (2)
  1. Unfassbar, dass eine solche Menge an Kleidung pro Kopf in Deutschland pro Jahr gekauft wird. Ich kaufe auch gerne viel Kleidung aber beziehe auch einen Teil von Second Hand Geschäften. Vor allem wenn man auf der Suche nach bestimmten Teilen auf den von Ihnen erwähnten Online Portalen ist, ist diese art des Shoppings ziemlich günstig und vorteilhaft.

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